Globaltrottel
Nachdem unser internationaler Handel „in die Hosen“ gegangen war, arbeiteten wir, wie alle anderen auch. Wir drehten unsere 40-Stunden-Woche und wohnten im Sozialbau.
 
Auf 45 qm Wohnfläche hatten wir „unser Paradies“ eingerichtet






und sparten unsere übrig gebliebene Kohle als finanzielles Blätterdach, welches uns beschützen sollte vor den Unbilden der feindlichen Welt. 
 
An den Wochenenden bauten wir immer noch mit unseren damaligen Freunden und ehemaligen Geschäftspartnern die Bierdosentürmchen beim Doppelkopp und träumten, da wir als „Bosse“ kläglich gescheitert und nun die kleinen Kinder unserer Kumpels das Licht der Welt erblickt hatten, von fernen Ländern, die wir irgendwann bereisen würden.
 
In den intellektuellen Kreisen, in denen wir uns damals bewegten, fuhren die ersten Mutigen nach Afghanistan oder Indien – kamen erst nach vielen Monaten wieder zurück und berichteten von anderen Welten und Erlebnissen, die unsere Vorstellungskraft sprengten.
 
Dort, in der Ferne, war das „echte Leben“ während wir hier, die Zurückgebliebenen, für den Rest unseres Lebens in der Mittelmäßigkeit dahinvegetieren würden, ohne jemals „das Wahre“ erfahren zu haben.
 
Ich war noch immer Chefassistentin im internationalen Handel, verließ um 5.30 Uhr morgens meine Mini-Wohnung und kehrte um 18.30 Uhr zurück, während mein Mann abends nach der Arbeit die Einkäufe erledigte und im Winter stundenlang am Bahnhof stand, weil die Züge wieder mal Verspätung hatten. Wir arbeiteten, aßen und vielen todmüde ins Bett.
 
Am Wochenende diskutierten wir mit unseren Kumpels über Dschungeltouren in undurchdringliche Gefilde wo die grüne Mamba wohnte, eine außerordentlich seltene und schöne Schlange, die wir, in halsbrecherischen Abenteuern selber sichten wollten. Unser Kumpel hielt damals Vogelspinnen in seinem Wohnzimmer in wunderschönen Terrarien (er studierte Biologie) und wir träumten von den Orten, wo diese Tiere ohne hinderliche Glasscheibe, sozusagen in freier Natur, die Menschheit erschreckten.
 
Eines schönen Tages kam also der Moment, wo wir genug Kohle auf der Bank hatten, keine Kinder unser Leben zierten und ich mich fragte, was ich hier tue! Während meiner täglichen stundenlangen Zugfahrten berührte ich bereits die grüne Mamba und stocherte nach Vogelspinnen in den tropischen Dschungelgebieten dieser Welt.
 
Ich war inzwischen 29 Jahre alt und der Gedanke, noch mindestens 34 Jahre so weiter zu machen, war mir unerträglich geworden. Ich fühlte tief in meinem Inneren, dass ich den sich ständig wiederholenden Alltag nicht leben konnte. Büro, Bausparvertrag, Häuschen, Apfelbäumchen und Satz in die Kiste… . Ich wollte raus in die Welt und sehen, was die anderen so machten. Ich wollte auf die Universität des Lebens gehen und selber sichten, was man täglich im Fernsehen so über den Rest der Welt behauptete.
 
Als wir wieder am Wochenende einen Bierdosenturm bauten, war es dann soweit – wir würden es wirklich tun! Wir würden tatsächlich unsere Träume wahr machen.
 
Unsere Freunde waren- zu unserer großen Überraschung- gar nicht erfreut und die langjährige Freundschaft zerbrach letztendlich über unserem Vorhaben. Wir hätten doch noch jahrelang so schön träumen können und doch hatten wir durch unseren Tatendrang den Traum zerstört.
 
Aber wir flogen, mit einem Oneway-Ticket in der Tasche und nichts weiter als unseren Rucksäcken.
 
Unsere persönlichen Habschaften hatten wir bei meinem Bruder im Keller gelagert, die Schwiegermutter weinte, die Ungläubigen standen ungläubig am Bahnhof.
 
Ich saß mit 5 Brötchen, die mir irgendwer zum Überleben in der Fremde übergeben hatte, am Bahngleis, halb bewusstlos, staunend über meinen eigenen Mut und mächtig viel Angst.
 
Aber… die grüne Mamba wartete auf mich!
 

 
„Wie könnt ihr so was nur tun? Jetzt, in der Wirtschaftskrise!“ „Ihr seid bekloppt, total irre!“ „Ihr werdet da draußen umkommen!“ „Die tödlichen tropischen Krankheiten!“ – DAS waren unsere Geleitworte der überaus Besorgten uns liebenden…
Noch heute bin ich dankbar, dass zwar alle unser Bestes wollten, aber es nicht bekamen.
 
Nur mein damaliger Boss flüsterte mir eine echte Weisheit: „Ich bin jetzt kurz vor der Pension und wollte immer eine Schiffsreise um die Welt machen. Ich habe es nie getan und nun bin ich zu alt und zu krank. Schieben Sie Ihre Träume niemals auf, verwirklichen Sie sie jetzt!“
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