Meine Ernte
Eigentlich wollte ich mich selber ernähren als Chefin eines Bauernhofes. Ja ! Ich wollte in meiner Kindheit entweder einen Förster oder einen Bauer heiraten und habe, da Gott einsichtig ist, einen Stahlformenbauer geheiratet.
Also habe ich, wie das Leben so spielt, einen Kompromiss schließen müssen, nämlich den, dass meine Latifundien winzig sind und meine Kleintierhaltung sich auf Insekten, Spinnen, Schnecken und Igel beschränkt.
Jedoch habe ich einen Gemüsegarten angelegt und bilde mir ein, die Familie mit meiner Hände Arbeit zu ernähren. Ein wunderbares
Gefühl. Man kann sich natürlich fragen, ob es sich überhaupt lohnt, Karotten hochzupäppeln, sie von Unkraut zu befreien, sie vor Schädlingen zu schützen, um eines Tages irgendwelche verwundenden Zwirpelkarotten zu ernten, da die Erde zu fest war, oder es nicht genug geregnet, zu wenig geregnet oder im falschen Moment
gehagelt hat… wo doch die sauber gestylten Karotten im Supermarkt nur ein paar Cent kosten, gewaschen und ready to eat in Plastik eingeschweißt.
Ich bilde mir dann einfach ein, Denkmalschutz zu betreiben, da ich in diesem Dorf eine der Letzten meiner Art bin und es mir Freude macht, die städtische Verwandtschaft raten zu lassen, was da wohl wächst.
Und … Menschen zahlen sehr viel Geld für alles, was Bio heißt. Also
aus meinen Karotten fließt pures Karotin genährt aus reinem Kompost, Planzenmüll zersetzt durch unzählige Würmer und anderes Ungetier. Mega !
Das Gärtnern ist natürlich auch eine Art von Therapie für mich, beruhigend, erfrischend und ich spüre meine Knochen (bin also noch am Leben!).
Anfangs habe ich das Gemüse angepflanzt, was man eben so
allgemein anpflanzt. Nach einigen Jahren jedoch und mit Hilfe des Internets habe ich erfahren, dass es seltene oder nicht mehr gebräuchliche Gemüsesorten gibt.
Nun lohnt es sich in jeder Hinsicht für mich, all’ diese Sorten auszuprobieren und durch das Pflanzen diese auch zu schützen und
zu erhalten.
Schon einmal blauen Kartoffelbrei gegessen?
Selbst meine Schwiegermutter ist überzeugt. Die „Indianerkartoffel“ ist absolutes Muss für Diabetiker und sie blüht auch noch so schön, wie eine Sonnenblume.
Ich habe auch allerlei Beeren in meinem Garten. Für Menschen und für Tiere. Ich wollte eigentlich nur 10 % meiner Ernte an die Tiere abgeben, jedoch habe ich noch nie mehr als 10 Kirschen ernten können, da die Stare schon vor mir da waren.
Vögel wissen übrigens, dass sie stehlen. Sie schleichen sich von hinten an die Erdbeeren ran und verlassen laut kreischend den Ort der Tat.
Oft überlege ich mir bei meiner Arbeit, wie wohl die Menschen, die davon abhingen, gelebt haben. Manchmal ist die Saat ganz umsonst, da ein später Frost alles zunichte macht. Praktisch über Nacht sieht
die Zucchini nicht mehr so aus, wie am Tag vorher. Oder
irgendwelche lebendigen Bohrer haben sich durch die unterirdischen Früchte gebohrt.
Froher Dinge möchte ich Unkraut zupfen und sehe, dass meine Karottenpflanzen irgendwie nach unten gezogen werden, ruckartig, Stück für Stück verschwinden sie im Untergrund… „Was is??“
Eine oder gar eine ganze Familie von Wühlmäusen erhebt Anspruch
auf das Ergebnis meiner mühevollen Arbeit!
Wenigstens weiß ich, was Überlebenskampf bedeutet. Charles
Darwin war gar nicht so blöd …
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