"Nichtstun..."

 

„Hast du denn nichts zu tun?“ kreischt die schrille Stimme in mein Ohr. Ich erschrecke so sehr, dass ich fast über meinen Hund stolpere, der gerade vor mir einen Busch markiert.
 
Ich dachte eigentlich, ich könnte hier im tiefen Wald meine viele Zeit genießen, aber nun haben sie mich beim „Nichtstun“ erwischt. Die unsichtbaren Wächter der gesellschaftlichen Moralvorstellung sind mir also bis hierher nach gekrochen und ich fühle mich sündig.
 
Manchmal, wenn ich morgens einem Menschen auf meinen Spaziergängen begegne, so höre ich sofort, dass dieser Mensch keine Zeit habe, da er mit den verschiedensten Verpflichtungen beschäftigt sei. Auch an einem arbeitsfreien Tag so wird mir versichert, sei dieser mit anderen Pflichten, die zumindest dem Wohlsein der Familienmitglieder dienen, angefüllt und bereits jede einzelne Minute verplant. Das Spiel der Hunde zu genießen ist ausgeschlossen, denn mein Gegenüber ist bereits gedanklich beim Arzttermin in einer überfüllten Praxis oder sitzt auf dem Stuhl der beschissenen Lehrerin, die der Tochter eine Fünf verpasst hat.
 
So verstreicht der kostbare Moment, den ich nicht zu teilen vermag und ich freue mich heimlich über den Sonnenschein, schaue den Hunden zu, wie sie die Wiese hinunter tollen. Sie sind meine Verbündeten, da sie offensichtlich um den Wert des Unwiederbringlichen wissen.
 
Nichts zu tun ist in unserer Gesellschaft verpönt, ja, es ist geradezu eine Unverschämtheit, dass es solche Menschen wie mich überhaupt gibt. Ich fühle mich wie ein Schandfleck, der Tintenklecks auf dem blütenweißen Papier, die Zecke im gesellschaftlichen Pelz.
 
„Arbeiten Sie überhaupt was?“ werde ich gefragt mit einem Blick, der verrät, dass ich bereits in der Schublade der „Loser“ festsitze, da hilft auch kein Zappeln mehr. Denn wer nicht arbeitet, der darf auch nicht essen (so sagte schon Gott!).
 
„Carpe diem“ flüstert mir eine gute Fee direkt ins Herz und verschwindet, nachdem sie mich mit ihrem Zauberstab berührt hat, am Horizont. Ich schaue ihr noch lange nach…
 
„Verzisch dich!“ raune ich der schrillen Stimme zu und sie schleicht sich zurück ins Dorf. Hier oben im Wald fangen die Vögel an zu singen – der Frühling ist nicht mehr weit…

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